Schulentwicklung kann manchmal echt frustrierend sein. Schulen sind meist große, gewachsene Systeme mit festen Strukturen und Traditionen. Oft gibt es Widerstände, Ängste, Vorbehalte oder einfach die Sorge vor Veränderung und zusätzlicher Belastung. Die unterschiedlichen Erwartungen, Schüler:innen, Eltern, Lehrkräfte, Schulleitung oder Schulträger unter einen Hut zu bringen, ist herausfordernd und führt oft zu Kompromissen, die nicht alle zufriedenstellen können. Für die einen ist es zu wenig, für die anderen ist das alles zu schnell. Oft fehlen Zeit, Personal oder finanzielle Mittel, um innovative Projekte umzusetzen. Oder es fehlt eine gemeinsame Vision für eine zukunftsfähige Schule. Eine nachhaltige Transformation von Schule braucht Ausdauer und mutige Gestalter.
Um den Transformationsprozess von Schule wirklich ganzheitlich zu betrachten, müssen wir also die damit verbundenen weitreichenden Konsequenzen anerkennen. Dieser Wandel von Schule ist vielschichtig: Er umfasst politische Weichenstellungen, die Neuausrichtung von Schulorganisation und Schulgemeinschaft, die Führung von Schulen sowie grundlegende Veränderungen im Entwicklunsgfeld Unterricht. Damit einher geht auch eine veränderte Rollenwahrnehmung der Lehrkräfte. Und nicht zu vergessen: Ganz viel Haltungsarbeit im Kollegium (Haltung, Haltung, Haltung). Wir Lehrerinnen und Lehrer sind die tragenden Säulen der Transformation von Schule. Wir sind die Veränderung. Wenn wir sie nicht wollen, wenn wir sie sogar vorsätzlich verhindern, wird die „Schule im Wandel“ scheitern.
Der Weg ist anstrengend und die Herausforderungen sind groß. Packen wir es an!
Am Ende ist Schulentwicklung ja auch keine Raketenwissenschaft. Oder doch?

1. Auf der Startrampe - Eine gemeinsame Basis
Jede Schulentwicklung beginnt mit einem Blick auf die aktuelle Situation der Schule. Jede Schule ist anders, das Personal ist unterschiedlich aufgestellt und auch die sozial-ökonomischen Vorraussetzungen des Standorts sind nicht zu unterschätzende Faktoren. Die Startrampe steht für das Fundament, also die bestehenden Strukturen, das Kollegium, die Schüler*innen und Eltern sowie die vorhandenen Ressourcen am Schulstandort. Ohne stabiles Fundament kann kein erfolgreicher Start gelingen. Wie eine Rakete, die vor dem Start sorgfältig vorbereitet und inspiziert werden muss, braucht auch Schulentwicklung eine solide Planung, einen Haltungsabgleich im Kollegium und ein motiviertes Kernteam mit einem gemeinsamen Ziel: Einen Lernort mit Zukunft zu gestalten.
2. Vor dem Start – Planung und Teamwork
Vor dem Start muss die Rakete vorbereitet werden: Treibstoff (Motivation und Ressourcen) wird getankt, Systeme werden geprüft (Analyse der Ausgangslage) und das Team (Schulgemeinschaft) sind die Grundvoraussetzungen, bevor es überhaupt losgehen kann. Eine gelungene Schulentwicklung braucht Planung, Kommunikation und die Bereitschaft, gemeinsam neue Wege zu gehen. Es braucht zudem Inspirationen und Impulse durch Hospitationen an anderen Schulen, um veränderte Lernkultur bewusst zu erleben und die Atmosphäre eines Wandels zu spüren. Für mich ein zentraler Schlüssel für Schulentwicklung. Das Rad muss nicht überall neu erfunden werden.
Damit es auch an der eigenen Schule losgehen kann, gilt es vor dem Start genau zu prüfen: Sind dafür wirklich genügend Gewillte an Bord? Sind Lehrkräfte, Schulleitung, externe Schulentwickler, Eltern, Bildungsinitiativen oder auch ggf. regionale Netzwerke eingebunden? Von all diesen Protagonisten wird der Erfolg eines echten Wandels maßgeblich bestimmt, gar nicht erst begonnen oder zu früh gestoppt. Lehrerinnen und Lehrer sind dabei die größten Taktgeber einer neuen Lernkultur. Ein Lernkulturwandel ist die zwingende Voraussetzung, damit Schule wieder etwas besser in die BANI-Welt passt.
3. Der Countdown – Die Initialzündung
Der Countdown symbolisiert die Phase, in der alle Beteiligten die Pilotphase einleiten. Das kann die Einführung eines neuen Lernformats in zunächst nur einem Jahrgang, ein erstes mehrwöchiges Projekt in einem Doppeljahrgang oder die Umgestaltung von Klassenräumen zu Lernlandschaften sein. Dazu braucht es einen formulierten Plan, eine gemeinsame Vision (Schule 2030 / Schule 2025) und Entwicklungsziele, die sich aus dem "Warum" ableiten. Hier setzt der Golden Circle von Simon Sinek an: Erfolgreiche und inspirierende Entwicklung beginnt nicht beim „Was“ (z.B. neuen Unterrichtsmethoden oder Fächern), sondern beim „Warum“. Hier geht es um die grundlegende Motivation und die Vision, die hinter allen Maßnahmen steht. Der eigentliche Fortschritt bzw. Prozess der 'Schule im Wandel' beginnt also erst jetzt. Die Schulgemeinschaft macht sich bereit, gewohnte Bahnen zu verlassen und wagt sich auf unbekanntes Terrain. Jetzt geht es los.
4. Der Start – Aufbruch und erste Herausforderungen
Mit dem Start hebt die Rakete ab – die Schule begibt sich auf den Weg der Veränderung. Der Raketenstart steht für den Mut, bestehende Strukturen zu hinterfragen oder sogar aufzuberchen und innovative Wege einzuschlagen. Jetzt geht es um das Machen. Die ersten Meter nach dem Start sind oft die schwierigsten: Widerstände, Unsicherheiten und (technische) Probleme werden auftreten. Hier ist Durchhaltevermögen gefragt. Es braucht einen langen Atem, die alten verkrusteten Strukturen aufzubrechen. Zur Not auch gegen den Willen mancher Eltern und KollegInnen. In der Phase wird besonders deutlich: Die große Herausforderung ist gar nicht der Start in den Prozess des Wandels, sondern vielmehr der stetige Wandel des Wandels. Über mehrere Jahre hinweg. Mit all seinen Höhen und Tiefen und den immer wiederkehrenden, tiefverwurzelten Vorstellungen von Schule und Unterricht und den damit verbundenen Diskussionen in Kollegien und in der Elternschaft.
5. Die Flugphase – Kurs halten und steuern
Während des Flugs muss die Rakete gesteuert werden. Korrekturen (Evaluation und Anpassung) sind nötig, um auf Kurs zu bleiben. Dazu gehört, den eingeschlagenen Weg regelmäßig zu überprüfen und auf unvorhergesehene Herausforderungen flexibel zu reagieren. Die Crew (das Kollegium) und der Pilot (die Schulleitung) müssen zusammenarbeiten, um Herausforderungen zu meistern und das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Ich würde jeder Schule und jeder Schulleitung empfehlen, ein fest organisiertes Schulentwicklungsteam einzurichten. Dieses Team - oder diese Projektgruppe - kann unterschiedliche Arbeitstitel wie „Projekt Freiraum“ oder „Wandelgruppe“ haben. An meiner Schule heißt sie einfach "Didaktik-Team". So ruht der Transformationsprozess auf mehreren Schultern und es ist dennoch sichtbar, dass die Schulleitung den Prozess konstruktiv unterstützt, leitet und begleitet.
6. In der Umlaufbahn – Nachhaltigkeit und Weiterentwicklung
Die Rakete hat die gewohnte Sphäre verlassen und wir dürfen neue Erfahrungsräume erschließen. Die Erweiterung von Lern- und Lehrmöglichkeiten ist entstanden, neue Lernformate wie der FREI DAY sind eingeführt und eine neue Lernkultur beginnt sich zu etablieren. Erste Evaluationen sind gelaufen, notwendige Anpassungen wurden vorgenommen und sorgen so für eine nachhaltige Implementierung ins pädagogische Gesamtkonzept. Die Rakete bleibt in Bewegung, sammelt neue Erfahrungen und kann von der Raumstation ausgehend weitere Missionen starten - z.B. mögliche Einsatzszenarien von KI, die Veränderung von Prüfungsformaten oder Entwicklung neuer Raumkonzepte. Weitere Arbeitsschwerpunkte ergeben sich organisch. Im neuen Schulkonzept eröffnen sich so immer wieder neue Horizonte für Lernende genauso wie für Lehrende.
...3,2,1 LOS!
Bitte Anschnallen. Anfangen. Machen ist wie wollen, nur krasser! Den einen Königsweg von Schulentwicklung gibt es sowieso nicht. Um den Wandel in Schulen anzustoßen und die gesellschaftlichen Transformationsprozesse im Bildungsbereich sichtbar zu machen, gibt es vielfältige Hebel. Diese reichen von politischen und ideologischen Rahmenbedingungen bis hin zu den ganz persönlichen Perspektiven derjenigen, die vor Ort aktiv sind: von den Schülerinnen und Schülern über ihre Eltern und Lehrkräfte bis hin zu Schulleitungen und Schulbehörden. Der entscheidende erste Schritt muss direkt in den Schulen selbst erfolgen. Wir sind die Rakete.