Praxis: Genius Hour in der Lehrerausbildung

Ein zentrales Prinzip der Arbeit in der Lehrerausbildung am Studienseminar ist die Auseinandersetzung mit der Praxis auf der Grundlage von Theorie. Grundprinzip ist der sog. "pädagogische Doppeldecker": Die angehenden Lehrer*innen (Referendare) erfahren aus der Perspektive der Lernenden, wie sich Konzepte und Methoden anfühlen und in der konkreten Praxis didaktisch und methodisch auswirken. Um mein Seminar neugierig auf die Methode der Genius Hour zu machen, schlug ich vor, einen Teil der kostbaren Seminarzeit für die Arbeit an eigenen Projekten zum Oberthema 'Bildung' zu nutzen. Nur durch diese Erprobung können schließlich innovative Ansätze auch in die Schule gelangen und den Schüler*innen zu Gute kommen. 

  

Die Idee der Genius Hour in der Schule ist,  Schüler*innen die Erforschung ihrer eigenen Leidenschaften zu ermöglichen, eigene Interessen zu erkunden, selbst gestellten Fragen nachzugehen und so die Kreativität im Klassenraum zu fördern.  Dafür braucht es unverzweckte Freiräume - also Zeiten, die nicht von Lehrpersonen vorbestimmt sind.  Es ist nicht genau festzustellen, wo die Idee der Genius Hour ursprünglich entstanden ist, allerdings gibt es Rückschlüsse aus der Unternehmenskultur.

 

Das Unternehmen Google ermöglicht es seinen Entwicklern, 20 % ihrer Zeit mit der Arbeit an einem beliebigen favorisierten Projekt zu verbringen.  Die Idee ist so einfach wie genial:  Wenn  Unternehmen ihren Mitarbeitern  erlauben an etwas zu arbeiten, das sie interessiert, so wird die Produktivität und Identifikation für das Unternehmen steigen.  Googles Politik hat so gut funktioniert,  dass angeblich  50% der Google-Projekte in dieser kreativen Zeitspanne entstanden sind.  

Umsetzung in der Schule

Im Klassenzimmer gelten dieselben Prinzipien der Genius Hour  wie in der Unternehmensumgebung.  Die Schule  stellt den Lernenden eine bestimmte Zeitspanne zur Verfügung, in der sie an ihren leidenschaftlichen Projekten arbeiten und ihren eigenen Interessen nachspüren können.  Die Schüler*innen arbeiten alleine oder in Gruppen an Projekten oder finden Antworten auf ihre persönlichen Fragen. Sie verbringen mehrere Wochen mit der "Erforschung" eines Themas, bevor sie mit der Erstellung eines Produktes bzw. einer Präsentation beginnen. Das Ergebnis wird dann abschließend mit der Klasse, dem Jahrgang, der Schule und/oder mit der Welt geteilt. An meiner Schule haben wir die Genius Hour gebündelt an einem Forscherfreitag umgesetzt. An diesem Tag gibt es keinen normalen Fachunterricht mehr. 

 

In Zusammenarbeit mit der Initiative Schule im Aufbruch ist daraus 2019 der FREI Day erwachsen. An diesem Tag  gehen die Lernenden  ihren eigenen Fragen, Interessen und Themen nach. Begleitet und unterstützt von den Klassenlehrer*innen werden einzelne Projekte in den Forumsstunden vorgestellt. Laut Konzept  geht es im Besonderen um die Ermöglichung von solchen Freiräumen, welche „zentrale Zukunftskompetenzen wie Mut und Vertrauen in Ungewissheit förder(n) und junge Menschen befähig(en), mit Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität umzugehen. Der FREI DAY macht Schulen zu WERK-Stätten, WIRK-Stätten und TAT-Orten für weltverantwortliches Handeln.“ (https://www.frei-day.org).

 

Umsetzung im Seminar

2018 stellte ich erstmalig die Idee der Genius Hour meinen Seminarteilnehmer*innen vor. Dafür nutzte ich u.a. das oben gezeigte Video. Nach einem Austausch über Sinn, Ziel und Organisation (das Pädagogikseminar tagt alle zwei Wochen für 4 Stunden) implementierten wir die Genius Hour als feste Zeit im Seminar. 30 Minuten der vierstündigen Sitzungen wurden fortan für die Arbeit an eigenen Projekten genutzt. Aufgrund von aktuellen Themen musste allerdings immer mal wieder auf diese Zeit verzichtet werden. Zusätzlich gab es immer auch Stimmen unter den Referendaren, die die fehlende Zeit für inhaltliche Themen des Seminarlehrplans "beklagten" und wiederum andere, die den Zeitraum von 30 Minuten als zu gering ansahen, um konzentriert und fokussiert am Thema zu arbeiten. Daraufhin habe ich zu Beginn dieses Jahres ein Votum eingeholt und wir haben die Zeit auf 60 Minuten in jeder zweiten Sitzung angepasst. 

 

Zur Sammlung von Projektideen und zum Austausch nutzten wir ein gemeinsames Etherpad zunächst über zumpad  und seit letztem Jahr über itslearning . In den vergangenen zwei Jahren sind viele facettenreiche Projekte angedacht und umgesetzt worden. Nicht alle konnten in der kurzen Zeit des Referendariats tatsächlich zu Ende bearbeitet werden. Am Ende eines jeweiligen Ausbildungshalbjahres haben die Prüflinge - bevor sie das Studienseminar verlassen -  ihre Projekte dann im Seminar vorgestellt. Der aktuelle Durchgang hat in der letzten Woche vor den Sommerferien nun seine Projekte präsentiert, die ich gerne mit euch teilen möchte. Wir haben die Projekte auf einem Padlet gesammelt. Natürlich hat Corona auch in der Genius Hour seine Spuren hinterlassen, aber seht selbst. Gerne darf gelikt und kommentiert werden. 

 

Mit Padlet erstellt

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