Praxis: Flipped Classroom in der Lehrerausbildung

In diesem Beitrag möchte ich eine Möglichkeit vorstellen, das didaktische Modell des Flipped Classroom in der Lehrerausbildung einzuführen. Darüber hinaus gilt es Beispiele für eine Umsetzung in der Seminararbeit darzulegen. Neben der Nutzung dieses Prinzips geht es natürlich auch um die Umsetzbarkeit in der Schule, Reflexion und Kritik. Der Flipped Classroom soll zukünftigen Lehrkräften ein Modell zur Unterrichtsgestaltung im digitalen Kontext aufzeigen.

 

Nicht mehr und nicht weniger.

 

Vorwort

Es gib zahlreiche gelungene Praxisbeispiele zu diesem Modell für den Schulunterricht und detaillierte Praxisberichte. Neben der Vielzahl an Fürsprechern gibt es aber auch kritische Stimmen, die das Modell „nur“ als digitale Substitution eines lehrerzentrierten Unterrichts verstehen. Diese Diskussion möchte hier vernachlässigen. Ich verstehe das Prinzip des Flipped Classroom als ein Baustein zeitgemäßen Unterrichtens. Als einen von vielen; also frei nach Hilbert Meyer: Mischwald ist besser als Monokultur (die Inklusion lässt grüßen).

 

Was ist der Flipped Classroom

In aller Kürze: Als Flipped Classroom (siehe Video) wird ein Unterrichtsmodell bezeichnet, bei dem Lerninhalte in aufbereiteter Form (z.B. Erklärfilme) den Schülern im Vorfeld zur Verfügung gestellt werden und die gemeinsame Unterrichtszeit im Klassenraum dadurch als echte Lernzeit für Anwendung, Übung und tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Lernstoff zur Verfügung steht. Es eröffnet sich dadurch also mehr Zeit für Differenzierung, Individualisierung und der Förderung von Selbsttätigkeit bzw. Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler. Der traditionelle Unterricht wird demnach umgedreht, indem der Input aus der Schule ausgelagert wird (So die Theorie...). In der englischsprachigen Literatur wird diese Methode des "Umgedrehten Unterrichts" auch als flip teaching oder inverted teaching bezeichnet. 

 

Für mehr Einblicke aus der schulischen Praxis empfehle ich die Internetpräsenz von Sebastian Schmidt oder die Videobeiträge von Daniel Jung.

 

Einführung im Seminar

In meinem pädagogischen Seminar arbeite ich schon seit längerer Zeit mit digitalen Anwendungen. Mehr über das Konzept Bildung 2.0 an unserem Studienseminar findet ihr in diesem Blogbeitrag.

Mit meinen Referendaren bzw. LehrerInnen im Vorbereitungsdienst (LiVd) nutze ich z.B. zum Austausch und zur Bereitstellung von Informationen und Dokumenten die kostenfreie Lernplattform Edmodo. Bei der Einführung des Flipped Classroom habe ich vor der Seminarveranstaltung - im Sinne des didaktischen Doppeldeckers - über Edmodo ein Video (siehe oben) zur Verfügung gestellt. Zum Einstieg in die Seminarsitzung hatten die LiVd nochmals die Gelegenheit sich das Video anzuschauen. Bei der späteren Nutzung des Konzepts ist dieses Vorgehen natürlich kontraproduktiv, da das Lernvideo als vorbereitende Hausaufgabe dienen soll. Bei der Erstbegegnung hielt ich dieses Vorgehen für angemessen, um zum Einen sicherzustellen, dass alle das Video geguckt haben und um zum Anderen genau zu diesem Aspekt im späteren Verlauf ins Gespräch zu kommen. Für die Arbeit im Seminar erhielten die LiVd folgendes Arbeitsblatt (mein ausdrücklicher Dank geht an Tobias Raue für die Idee und Vorlage der Illustration und an Alicia Bankhofer für die Erstellung des Lernsnacks):

Die Informationen im Lernsnack sind sehr umfangreich und enthalten viele links zur vertieften Auseinandersetzung. Für diesen Teil (Aufgabe 2) muss entweder genügend Zeit veranschlagt oder der "Snack" selbst inhaltlich reduziert werden. 

 

In einer gemeinsamen Plenumsphase haben wir uns anschließend im Seminar über die in Aufgabe 3 angedachten Impulse ausgetauscht. Hier würde es sich anbieten die Ergebnisse in einem gemeinsamen Padlet festzuhalten. Aus Zeitgründen (wie so oft) habe ich bei dieser Einführung darauf verzichtet. Bei einer nächsten Gruppe werde ich mein Vorgehen entsprechend anpassen.

Neben der Auflistung der üblichen Vorteile (z.B. Lerntempo) und Nachteile (z.B. Aufwand) haben die LiVd viele Ideen für den Einsatz im eigenen Unterricht auch in der Grundschule benannt. Hier wurden Beispiele vor allem für die Fächer Sachunterricht und Mathematik geäußert.

 

Einsatzchancen in der Seminararbeit

Für die Arbeit an Studienseminaren ergeben sich m.E. zahlreiche Möglichkeiten bestimme Inhalte auszulagern und den LiVd in der Vorbereitung auf die kommenden Sitzung zur Verfügungen zu stellen. Die Auseinandersetzung mit Texten gehören dabei eh schon zum Standardrepetroire und sind hier ausdrücklich nicht gemeint. 

Denkbar sind neben Erklärvideos z.B. aus dem Bereich des Schulrechts auch Informationen anderer Inhalte und Themenschwerpunkte, die in Form von Präsentationen über z.B. Prezi zugänglich gemacht werden. Diese könnten dann ggfs. mit Fragestellungen oder ersten Arbeitsaufträgen versehen werden. So könnte die meist viel zu knappe Zeit im Seminar dann für eine echte praxisbezogene Auseinandersetzung genutzt werden. Frontale Phasen würden sich verringern, zu Gunsten von mehr Dialog, Kommunikation und Kooperation.

In den meisten Fällen stelle ich meinen LiVd begleitende Präsentationen der Sitzungen im Anschluss über Edmodo zur Verfügung. Informationen zu z.B. Unterrichtsentwürfen könnten somit zukünftig schon in der Vorbereitung zugänglich gemacht werden:

Ausblick

Wie schon eingangs erwähnt kann der Flipped Classroom (wie in der Schule) als ein ergänzendes Modell sehr gut in die Seminararbeit integriert werden. Insbesondere durch die Nutzung einer Lernplattform können Inhalte in der Erwachsenenbildung leicht zugänglich gemacht werden - mit dem Wissen, dass diese auch registriert und bearbeitet werden. Dass der Flipped Classroom nicht als alleiniges Vermittlungsmodell in der Lehrerausbildung fungieren wird liegt auf der Hand. „Es ist vielmehr ein Konzept, ein Rahmen, der Unterrichtsanteile austauscht, so dass wertvolle Elemente wie Kommunikation und Kollaboration im Unterricht stattfinden und weniger wertvolle wie das Tafelbild abschreiben oder einfachere Impulsaufgaben erledigen zu Hause vollzogen werden“ (Sebastian Schmidt). Durch die gute Umsetzbarkeit in der Seminarpraxis kann dieses Konzept also als Modell für den Schulunterricht zukünftiger Lehrkräfte fungieren. Die Motivation meiner LiVd ist jedenfalls vorhanden. So wurde der Wunsch geäußert, eigene Lernvideos im pädagogischen Seminar zu produzieren (folgt dann 2018).

 

Das Feedback der zukünftigen Lehrkräfte war bei der Einführung insgesamt positiv aber durchaus auch kritisch.

Neben der wahrnehmbaren Begeisterung bei der Einführung ist eben auch eine Auseinandersetzung mit der Rolle der Lehrperson als Wissensvermittler (z.B. durch die Erklärvideos) erforderlich: Lehrerzentrierung?!

Dies setzt daher nicht nur eine ausgeprägte Innovationsbereitschaft der Referendare voraus, sondern auch eine differenzierte Reflexionsfähigkeit; beides zentrale Kompetenzen um den wachsenden Herausforderungen dieses Berufes zu begegnen.

 

 

Addendum

Für die Seminargestaltung gilt: die Effizienz von Seminaren lässt sich durch die Vorentlastung auf die häusliche Ebene sicherlich erhöhen. Ob damit eine erhöhte Effektivität einhergeht wird sich noch zeigen müssen. Ich bleibe dran!

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0