Jubiläum: 7 Jahre FREIDAY - worauf wartest du noch?

2018 begann alles mit dem Forscherfreitag. An diesem einen Tag sollten die Fragen und Projekte der Schülerinnen und Schüler im Mittelpunkt stehen. Das liest irgendwie komisch oder? Man müsste meinen, an Schulen sollte das immer so sein. Das Gegenteil ist leider der Fall. Schulen sind Orte der Fremdbestimmung, geprägt von geschlossenen Lernsituationen und mit viel zu wenig Platz für eigene kreative Ideen oder Lernen in größeren Sinnzusammenhängen. Seit 200 Jahren werden Inhalte feinsäuberlich nach Fächern gegliedert und scheibchenweise in der Schule serviert. Ein Stundenplan soll das Lernen organisieren; für alle gleich. Lernende folgen diesem Plan seither mit dem gewünschten Gehorsam. Wer nicht in dieses Raster passt, bliebt zur Not auf der Strecke. 

 

Das muss doch auch anders gehen?

 

Am FREI DAY geht das anders!

 

An diesem Tag sind die Lernenden der Mittelpunkt für alles Lernen. Sie lernen, die Welt zu verändern.  Kinder und Jugendliche sind eingeladen, die Welt um sie herum aktiv mitzugestalten und Hoffnung oder Zuversicht für die eigene Zukunft zu entwickeln. Der FREI DAY ist ein wöchentliches, fest verankertes Lernformat, das Schüler:innen Freiräume für eigenverantwortliches, zukunftsorientiertes Lernen und Handeln bietet. Keine Noten, keine Klausuren, kein Druck. Die Themen und Fragen kommen nicht von uns Lehrkräften, sondern die Schülerinnen und Schüler entwickeln sie selbst. Sie suchen bestenfalls nach Lösungen für Zukunftsfragen, die sie bewegen und setzen eigene Projekte konkret in ihrer Schule, Nachbarschaft oder Gemeinde um. So geht Partizipation. So funktioniert Demokratiebildung.

 

The secret of getting ahead is getting started

An unserer Schule gehen die Lernenden am FREI Day jetzt bereits im siebten Jahr ihren eigenen Fragen, Interessen und Themen nach. Wir setzen ihn jeden Freitag verbindlich für die Jahrgänge 5 bis 8 um. Begleitet und unterstützt von uns Lernbegleitungen. Nach Vorlage des Konzeptes der Initiative ‚Schule im Aufbruch‘ geht es an diesem einen Schultag um die Ermöglichung von Freiräumen, welche zentrale Kompetenzen wie Mut und Vertrauen in Ungewissheit fördern und junge Menschen befähigen, mit Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (VUCA trifft auf BANI) umzugehen. "Der FREI DAY macht Schulen zu WERK-Stätten, WIRK-Stätten und TAT-Orten für weltverantwortliches Handeln.“ bringt es Mitinitiatorin von 'Schule im Aufbruch' Margret Rasfeld auf den Punkt. Für alle, die jetzt schon neugierig sind: Margret hat zu diesem Lernformat 2021 ein ganzes Buch geschrieben. Sie plädiert darin für regelmäßige Freiräume im Schulalltag, in denen Schülerinnen und Schüler selbstbestimmt an eigenen Projekten arbeiten können. Nur durch solche Freiräume werden die Kinder und Jugendlichen besser auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet, ihre Interessen und Fähigkeiten gefördert und es wird ihnen ermöglicht, aktuelle gesellschaftliche Themen aktiv anzugehen. Übergeordnetes Ziel des Tages ist es, Problemlösefähigkeit, Innovationsbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein zu stärken. Das braucht es, um in der BANI-Welt zu bestehen.

 

Schulen, aber auch wir Lehrkräfte, müssen das möglich machen! Nach all den Jahren kann ich sagen: Unsere Flexibilität, unseren Mut und unsere Fähigkeit loszulassen, werden an diesem Tag immer wieder auf die Probe gestellt. Aber macht das nicht auch den Reiz unseres Berufes aus? Sind das nicht die Chancen von KI und allem was daran hängt? Neue Wege gehen, wenn die alten Gesetzmäßigkeiten nicht mehr gelten. Schule als Forschungslabor, wenn alles Wissen sowieso ständig verfügbar ist. Schule als menschlichen Begegnungsraum, wenn die Technik im FREI DAY zweitrangig wird und es egal ist, ob KI genutzt wird oder nicht!

 

Und das Beste: Jede Schule - ja auch deine - kann schon morgen mit dem FREI DAY beginnen, weil das Lernformat flexibel innerhalb der bestehenden schulischen Strukturen eingeführt werden kann und keine grundlegenden gesetzlichen Änderungen voraussetzt. Auch am Gymnasium!

 

Der FREI DAY ist so konzipiert, dass er als festes Modul im Stundenplan – ähnlich wie andere Fächer – verankert wird, meist mit mindestens vier Stunden pro Woche (Quelle). Diese Zeit kann aus verschiedenen Fächern gebündelt werden, ohne deren Inhalte grundsätzlich zu gefährden, da viele FREI DAY-Projekte ohnehin zahlreiche Lehrplanbereiche berühren, insbesondere im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). So bilden die Global Goals auch bei uns den Rahmen für den Tag und die Projekte der Lernenden. 

Bei der Einführung bist du nicht allein. Viele Schulen hospitieren bei uns und an anderen Schulen mit FREI DAY Expertise. Darüberhinaus begleitet die Initiative 'Schule im Aufbruch' interessierte Schulen bei der Vorbereitung, Einführung und Umsetzung, sodass auch ein schrittweiser Start – etwa zunächst in einzelnen Klassen oder Jahrgangsstufen – möglich ist.

 

Zudem ist der FREI DAY bewusst offen und anpassbar gestaltet. Schulen können ihn phasenweise oder kontinuierlich durchführen und die Umsetzung an ihre eigenen Rahmenbedingungen anpassen. Entscheidend ist, dass ein engagiertes Team gebildet wird, welches das Vorhaben trägt und die notwendigen Abstimmungen im Kollegium und mit der Schulleitung vornimmt. Das ist Arbeit, keine Frage. 

 

 

FREI DAY konkret

Wie immer braucht es für solche Projekte über das normale Maß hinaus engagierte Personen, die dafür brennen und nicht aufgeben, wenn es mal schwierig wird. Zum Glück gibt es bei uns an der OBS Berenbostel  Menschen wie meine Kollegin Meike, die zusammen mit der didaktischen Leitung mit ganz viel Herzblut die Weiterentwicklung des FREI DAYS vorangetrieben hat. So sieht ein typischer FREI DAY inzwischen bei uns aus:

 

Zeit Inhalt Ort
 08:00 - 08:15  Lerngruppenzeit Büro
08:15 - 08:30

Start in den Tag:

  • Good News aus den Gruppen
  • Besonderheiten
  • Energizer

Forum,

FREI DAY Mitte

08:30 - 09:40

1. Arbeitsphase der Projektgruppen mit Projektdokumentation

Heimathäfen
09:40 - 10_10

Große Pause

 
10:10 - 11:15

2. Arbeitsphase der Projektgruppen mit Projektdokumentation

Heimathäfen
11:15 - 11:30 Reflexion der Arbeitsphasen und Dokumentation der zukünftigen Handlungsschritte, 
Aufräumen der Heimathäfen
Heimathäfen

Im Gebäude verteilen sich die Heimathäfen, die je nach Global Goal verschiedene Gruppen beherbergen. Die einzelnen Gruppen sind unterschiedlich groß und die Zusammensetzung ist jahrgangsgemischt (Klasse 5 bis 8). Alle Heimathäfen und Gruppenkonstellationen sind auf einer Taskcard organisiert, die wöchentlich von einem FREI DAY Team aktualisierst wird. Das Team aus Lehrkräften betreut jeden Freitag auch die FREI DAY Mitte. Hier entstehen neue Gruppen, Themen und Projektideen. Zudem werden alle Fragen rund um Ablauf und Organisation beantwortet. Das Team moderiert auch den Start im Forum. 

 

Die Projektthemen sind höchst unterschiedlich. Sie reichen von Nachhaltigkeit und sozialen Initiativen bis hin zu wirtschaftlichen Fragestellungen oder Achtsamkeit im Alltag. Ein zentrales Element des FREI DAY ist die Forumsstunde, in der die Schülerinnen und Schüler regelmäßig ihre Ergebnisse und Fortschritte vor den Jahrgängen, Lehrkräften und teilweise auch Eltern präsentieren. Die Organisation dieser Präsentationen liegt in den Händen der Gruppen selbst, wodurch die Jugendlichen zusätzlich Verantwortung übernehmen und ihre Kommunikationsfähigkeiten stärken. Wir als Projektbegleitungen wirken in den Heimathäfen natürlich unterstützend und versuchen die Gruppen bestmöglich zu beraten. 

 

Unsere Schule arbeitet zudem mit externen Partnern wie der Universität Hannover zusammen, deren Studierende als Lernbegleitungen oder Impulsgeber in die Projekte eingebunden werden können. Auch internationale Kooperationen, zum Beispiel im Rahmen von ERASMUS+, sind Teil des Konzepts und ermöglichen den Austausch mit Schulen aus anderen Ländern. So gab es kürzlich einen Austausch mit einer dänischen Schule. Für die Jugendlichen aus Dänemark wurde der FREI DAY extra auf einen Donnerstag verschoben, um vor ihrer Abreise teilnehmen zu können. Die jungen Gäste haben den Tag noch bunter gemacht als sonst. Bunt trifft es ohnehin gut, denn die Projekte des FREI DAY sind sehr vielfältig. Wenn Schülerinnen beispielsweise die Gruppe „Lake Warriors“ ins Leben rufen und  eine Müllsammelaktion an den Garbsener Seen organisieren, erleben sie Selbstwirksamkeit. Wenn eine andere Gruppe ein Start-up in Hannover besucht, um selbst nachhaltige Seife herzustellen, wird Klimaschutz "begreifbar". Wenn zu den Themen Umweltschutz, Mobbing und Rassismus  Garbsens Bürgermeister in einer Fragerunde im Forum mit kniffligen Fragen konfrontiert wird, erleben junge Menschen Kommunalpolitik zum Anfassen. Wenn eine FREIDAY-Gruppe eine Entkusselungsaktion im Otternhagener Moor (Wedemark) durchführt oder wieder eine andere Gruppe Gemüse im Schulgarten anbaut und später Salat, Tomaten und Bohnen ernten darf, wird Schule zu einem echten Lern- und Erfahrungsraum, der weit über Unterrichtsstoff oder Lehrpläne hinausgeht.

 

Natürlich funktionieren nicht alle Gruppen an so einem Tag  gleich gut. Es gibt auch immer mal wieder Streit oder Unklarheiten. Manchmal wird ein ganzes Projekt wieder über den Haufen geworfen und alle Arbeit ist futsch. Manchmal löst sich eine Gruppe nach einigen Wochen wieder auf, es ist jedoch immerhin ein Plakat entstanden. Dann beginnt die Themenfindung neu. Ab und an fehlt es auch grundsätzlich schon an Ideen. Daher ist es wichtig, bereits die Ideenfindung zu unterstützen:

Wenn ein neues Projekt entstanden ist und sich eine Gruppe auf den Weg macht, kommen neben uns Lehrkräften auch die Projektmappen ins Spiel. Sie halten den gesamten Projektverlauf strukturiert fest und machen die Entwicklung sowie die Fortschritte der Gruppe sichtbar. In der Projektmappe dokumentieren die Lernenden zunächst ihr Projektziel und planen die einzelnen Meilensteine. Während des Projekts werden Aufgaben, Zwischenergebnisse und Lernerfahrungen fortlaufend eingetragen. Auch Reflexionen zum Arbeitsprozess finden darin Platz. Die Projektmappe wird regelmäßig zu Beginn und am Ende jedes FREI DAYs im Heimathafen aktualisiert und dient somit als Arbeitsgrundlage für alle Gruppen. Sie hilft dabei, die Arbeitsschritte zu koordinieren, Verantwortlichkeiten festzuhalten und den Überblick über den Projektfortschritt zu behalten. Hier ein paar Auszüge aus der Projektmappe:

Die Rolle der Erwachsenen

Alle Lehrerinnen und Lehrer stehen beim FREI DAY vor mehreren Herausforderungen. Wir müssen unsere Rolle neu definieren: Statt als klassische Wissensvermittler zu agieren, werden wir zu Lernbegleitungen, die die Schülerinnen und Schüler in ihren selbstgewählten Projekten unterstützen. Wir versuchen gemeinsam mit den Jugendlichen Lösungen zu suchen oder informieren uns gemeinsam. Für viele Lehrkräfte ist die neue Rolle ungewohnt, so viel Freiheit und Eigenverantwortung an die Lernenden abzugeben und auszuhalten, dass diese auch Umwege oder Fehler machen, die zum Lernprozess dazugehören. Es braucht die Bereitschaft, Irrwege zuzulassen und wertzuschätzen, anstatt immer sofort korrigierend einzugreifen. Besonders herausfordernd ist es natürlich auch im Hinblick auf die Kids mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

 

Für uns alle  ist die Umstellung auf projektorientiertes, fächerübergreifendes Arbeiten mit einem hohen organisatorischen und kommunikativen Aufwand verbunden. Wir müssen uns auf neue Formen der Zusammenarbeit im Kollegium einlassen, kontinuierlich reflektieren und gemeinsam Lösungen für auftretende Probleme finden. Einzelkämpfer war gestern. Statt meiner Fachexpertise ist Flexibilität und meine Bereitschaft zur Weiterentwicklung fragt.  Wie immer bei Schulentwicklung geht es also um Haltung. 

 

Wie geht es dir damit?

Was ist deine Haltung zu mehr Freiräumen in der Schule? 

Wie viel traust du deinen Schülerinnen und Schülern zu?

 

Probier es aus.

Lass los!

Der Weg lohnt sich!

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